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Die Wohnfläche im Mietvertrag
04.03.2024 / Mieter

Die Wohnfläche im Mietvertrag

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 22. Juni 2021 (Az.: VIII ZR 26/20) beschäftigt sich mit einem häufigen Streitpunkt im Mietrecht: der Angabe und tatsächlichen Größe der Wohnfläche. Die Relevanz dieses Themas zeigt sich darin, dass Mieterhöhungen und Mietminderungen häufig an die Wohnfläche gekoppelt sind. Dieser Artikel erläutert, was Vermieter und Mieter aus diesem Urteil lernen können, um Konflikte von vornherein zu vermeiden.

 

Hintergrund des Falls

Im konkreten Fall hatte ein Mieter eine Wohnung angemietet, deren Größe im Mietvertrag mit „ca. 180 qm“ angegeben wurde. Tatsächlich betrug die nutzbare Wohnfläche jedoch nur 144,50 qm – eine Abweichung von fast 20 %. Auf dieser Grundlage forderten die Mieter erhebliche Rückzahlungen wegen angeblicher Überzahlungen der Miete.

Das Gericht entschied jedoch gegen die Mieter und führte aus, dass kein erheblicher Sachmangel vorliege. Entscheidend war dabei, dass die Parteien im Mietvertrag vereinbart hatten, dass bestimmte Räume – auch solche, die gewöhnlich nicht vollständig als Wohnraum gelten (wie Kellerräume oder Zwischengeschosse) – ausdrücklich als Wohnräume vermietet wurden und somit vollständig zur Wohnfläche zählen.

 

Wohnfläche im Mietvertrag: Beschaffenheitsvereinbarung oder unverbindliche Angabe?

Grundsätzlich gilt laut Rechtsprechung des BGH eine im Mietvertrag angegebene Wohnfläche als sogenannte Beschaffenheitsvereinbarung. Dies bedeutet, dass eine Abweichung von mehr als 10 % regelmäßig zu einem Mietmangel führt und somit Mietminderungen oder Rückzahlungen rechtfertigen kann.

Jedoch betonte der BGH erneut, dass dies nur gilt, wenn im Mietvertrag keine anderslautenden individuellen Vereinbarungen getroffen wurden. Wurde hingegen explizit vereinbart, dass bestimmte Flächen unabhängig von baurechtlichen Vorschriften vollständig zur Wohnfläche zählen sollen, dann gilt diese individuelle Vereinbarung.

 

Was bedeutet dieses Urteil konkret für Mieter?

Als Mieter sollten Sie Folgendes beachten:

  1. Wohnflächenangabe genau prüfen: Lassen Sie sich bereits beim Vertragsabschluss die Wohnflächenberechnung erläutern. Fragen Sie explizit nach, ob Räume wie Keller, Terrassen oder Balkone vollständig oder nur teilweise eingerechnet wurden.

  2. Individuelle Vereinbarungen beachten: Seien Sie sich bewusst, dass individuelle Vereinbarungen Vorrang vor gesetzlichen Vorgaben haben können. Wenn im Vertrag ausdrücklich vereinbart wird, dass bestimmte Räume zur Wohnfläche zählen, müssen Sie dies akzeptieren – auch wenn baurechtliche Regelungen dies anders vorsehen.

  3. Rechtliche Beratung einholen: Im Zweifelsfall oder bei erheblichen Abweichungen empfiehlt sich eine rechtliche Beratung, um Ihre Rechte besser abschätzen und schützen zu können.

 

Was bedeutet dieses Urteil konkret für Vermieter?

Vermieter sollten aus diesem Urteil ebenfalls einige wichtige Schlüsse ziehen:

  1. Wohnflächenberechnung sorgfältig durchführen: Sorgen Sie für eine exakte, transparente Wohnflächenberechnung und legen Sie diese bei Vertragsabschluss klar dar. Dies vermeidet spätere Konflikte.

  2. Individuelle Vereinbarungen transparent gestalten: Wenn Sie Flächen in die Wohnflächenberechnung einbeziehen möchten, die normalerweise nicht oder nur teilweise angerechnet werden, dokumentieren Sie dies ausdrücklich und nachvollziehbar im Mietvertrag.

  3. Offene Kommunikation: Kommunizieren Sie Veränderungen oder geplante Anpassungen der Wohnfläche offen mit Ihren Mietern. Ein gemeinsames Verständnis beugt gerichtlichen Auseinandersetzungen effektiv vor.

 

Unterschiede bei Wohnfläche und Mieterhöhung

Interessant ist, dass der BGH klarstellt, dass bei einer Mieterhöhung nach dem Vergleichsmietverfahren (§ 558 BGB) stets die objektiv gemessene tatsächliche Wohnfläche maßgeblich ist, unabhängig davon, welche Flächenangaben im Mietvertrag getroffen wurden. Damit kann es theoretisch zu dem paradox wirkenden Fall kommen, dass für die Mieterhöhung eine andere Fläche maßgeblich ist als die vertraglich vereinbarte Fläche. Diese Unterscheidung ist wichtig und muss sowohl Mietern als auch Vermietern bewusst sein.

 

Typische Streitfälle rund um die Wohnfläche

Häufige Streitfälle betreffen:

  • Terrassen, Balkone und Loggien: Hier zählt in der Regel nur die Hälfte der Fläche zur Wohnfläche, außer es wurde individuell anders vereinbart.

  • Keller- und Dachgeschossräume: Diese Räume gelten nur dann als vollständige Wohnfläche, wenn sie explizit und rechtlich unmissverständlich als Wohnräume vermietet wurden.

  • Flächenabweichungen: Weicht die tatsächliche Fläche deutlich (über 10 %) von der vertraglichen Angabe ab und existiert keine individuelle Sondervereinbarung, besteht in der Regel ein Recht auf Mietminderung.

     

Praxistipps für Vermieter und Mieter

Für Mieter:

  • Dokumentieren Sie vor Mietbeginn die tatsächliche Wohnfläche, vor allem bei Verdacht auf erhebliche Abweichungen.

  • Sprechen Sie Unklarheiten frühzeitig beim Vermieter an und verlangen Sie gegebenenfalls Anpassungen im Mietvertrag.

Für Vermieter:

  • Lassen Sie die Wohnfläche regelmäßig durch einen Experten nach aktuellen Normen berechnen.

  • Halten Sie alle Berechnungen und individuellen Vereinbarungen schriftlich fest und machen Sie sie transparent.

 

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