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Absolutes Halteverbot: Kein Kündigungsgrund im Mietrecht
16.06.2025 / Mietrecht

Parken vor der Einfahrt: Kein Kündigungsgrund im Mietrecht

In Großstädten wie Berlin sind Parkplätze knapp – Konflikte rund ums Auto also vorprogrammiert. Doch wie weit darf ein Vermieter gehen, wenn ein Mieter wiederholt sein Auto vor der Garageneinfahrt abstellt? Ist das schon ein Kündigungsgrund? Das Landgericht Berlin hat hierzu in einem Urteil vom 17. Mai 2024 (Az. 63 S 193/23) Klartext gesprochen – und dabei hohe Hürden für eine Kündigung gesetzt.

Dieser Artikel erklärt, was das Urteil für Mieter und Vermieter bedeutet, welche rechtlichen Grundsätze gelten – und worauf in der Praxis zu achten ist.

 

Der Fall: Parkplatz-Ärger eskaliert

Im Zentrum des Rechtsstreits stand ein Mieter, der sein Auto mehrfach auf öffentlichem Straßenland vor der Zufahrt zur Garage der Vermieterin geparkt hatte. Die Garage war durch den geparkten Wagen jedoch nicht vollständig blockiert, wie das Gericht anhand von Fotos feststellte – die Zufahrt blieb nutzbar.

Die Vermieterin kündigte daraufhin das Mietverhältnis mehrfach – fristlos und hilfsweise ordentlich. Sie berief sich auf die Störung des Hausfriedens und eine angeblich massive Pflichtverletzung. Zusätzlich warf sie dem Mieter eine Straftat (Betrug/Unterschlagung in einem privaten Darlehensverhältnis) vor, die sich außerhalb des Mietverhältnisses ereignet haben soll.

Doch die Gerichte gaben dem Mieter recht – sowohl in erster als auch in zweiter Instanz.

 

Kein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung

Nach § 543 Abs. 1 BGB kann ein Mietverhältnis fristlos gekündigt werden, wenn dem Vermieter die Fortsetzung nicht mehr zugemutet werden kann. Dafür braucht es allerdings einen wichtigen Grund, also eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung.

Das LG Berlin stellte klar:

Das Parken vor der Einfahrt stellt zwar eine Ordnungswidrigkeit dar, aber keine erhebliche Störung des Mietverhältnisses.

Es fehlte eine erhebliche Beeinträchtigung: Die Garage war weiterhin erreichbar, es wurde niemand konkret behindert, und auch der Hausfrieden wurde nicht gestört. Außerdem fehlte eine Abmahnung, die Voraussetzung für eine fristlose Kündigung gewesen wäre (§ 543 Abs. 3 BGB).

Wichtig für Vermieter:
Selbst wiederholtes Parken vor der Einfahrt reicht nicht für eine sofortige Kündigung, wenn die Störung nicht massiv ist und keine vorherige Abmahnung erfolgt ist.

 

Auch keine ordentliche Kündigung möglich

Auch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung hielt das Gericht für unwirksam. Nach § 573 Abs. 1 BGB braucht es dafür ein berechtigtes Interesse des Vermieters – zum Beispiel eine schuldhafte und erhebliche Vertragsverletzung durch den Mieter.

Doch genau daran fehlte es im vorliegenden Fall:

  • Das Parken betraf öffentliches Straßenland – nicht das Grundstück selbst.

  • Im Mietvertrag war kein Parkverbot geregelt.

  • Die Zufahrt war nicht vollständig blockiert, also keine objektive Beeinträchtigung.

  • Auch ein Zusammenhang mit dem Mietverhältnis war nur sehr indirekt gegeben.

Das Gericht stellte klar:

Der Schaden durch das Parken betrifft die Eigentümerrechte der Vermieterin, nicht das Mietverhältnis selbst. Daher ist sie auf zivilrechtliche Abwehransprüche (z. B. §§ 1004, 862 BGB) zu verweisen.

 

Straftaten im privaten Kontext: Kein Kündigungsgrund

Zusätzlich warf die Vermieterin dem Mieter Straftaten wie Betrug und Unterschlagung vor – im Zusammenhang mit einem privaten Darlehen zwischen ihm und der Geschäftsführerin der Vermieterin.

Auch hier war das Gericht eindeutig:

Eine Straftat kann nur dann zur Kündigung führen, wenn sie einen Bezug zum Mietverhältnis hat.

Da das Darlehen außerhalb des Mietvertragsverhältnisses gewährt wurde und der Schaden die Vermieterin selbst nicht betraf, konnte daraus kein Kündigungsgrund hergeleitet werden.

Nur in Ausnahmefällen, etwa bei Schwerstkriminalität oder direkter Bedrohung anderer Mieter, könne eine Kündigung auch ohne unmittelbaren Mietbezug gerechtfertigt sein – was hier nicht vorlag.

 

Was Mieter und Vermieter aus dem Urteil lernen können

Für Mieter:

Wiederholtes Fehlverhalten allein rechtfertigt nicht automatisch eine Kündigung.
Auch Straftaten im privaten Umfeld sind kein Kündigungsgrund, wenn sie nichts mit dem Mietverhältnis zu tun haben. Trotzdem: Wer Konflikte vermeidet und sich an Regeln hält, schützt das Mietverhältnis.
 

Für Vermieter:

Fristlose Kündigungen sind nur in echten Ausnahmefällen zulässig – mit strengen Voraussetzungen.
Abmahnungen sind regelmäßig erforderlich, bevor gekündigt werden darf.
Bei Konflikten außerhalb des Mietverhältnisses sollten zivilrechtliche Mittel (z. B. Unterlassungsklage) genutzt werden, statt sofort zur Kündigung zu greifen.
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gilt immer: Selbst wenn ein Mieter stört, muss die Reaktion angemessen sein.

Das Urteil des LG Berlin stärkt die Rechte von Mietern und setzt klare Grenzen für Kündigungen wegen Bagatelldelikten. Es zeigt: Selbst wiederholtes Falschparken oder private Streitigkeiten zwischen Vermieter und Mieter rechtfertigen nicht ohne Weiteres das Ende eines Mietverhältnisses.

Für Vermieter heißt das: Sorgfältig prüfen, abmahnen – und notfalls zu zivilrechtlichen Mitteln greifen, statt vorschnell zu kündigen.

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